Da saß ich, auf der Damentoilette im Büro und hatte es blau auf weiß. Schwanger. Tausende Gedanken schossen durch meinen Kopf. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ich tat beides – gleichzeitig.
Ich strich mit der Hand über meinen Bauch und flüsterte unter Tränen: „Ich verspreche dir, ich werde dich lieben und immer auf dich aufpassen. Ich werde mein bestes geben.“ Ich bin sehr dankbar, dass ich diesen „wachen Moment“ hatte und später meiner Tochter davon erzählen kann. Denn danach versank ich in einem Gedanken- und Gefühlschaos.
Nach der Arbeit kaufte ich Babysöckchen und verpackte sie als Geschenk. Ich wollte meinem Mann abends mitteilen, dass wir ein Baby erwarten. Schon beim Einkaufen überschlugen sich meine Gedanken und Gefühle.
Als ich es meinem Mann dann sagte, reagierte er völlig ungläubig und fragte mehrfach: „Werden wir wirklich Eltern?“ Nachdem die Nachricht endlich bei ihm angekommen war, sagte er: „Ich weiß, das ist gemein, aber ich brauche jetzt erstmal ein Bier.“ Diese Reaktion lockerte die ganze Situation auf und brachte mich zum schmunzeln.
Wir hatten nicht geplant Eltern zu werden. Ich nahm ganz normal die Pille, war nicht krank gewesen, hatte die Pille nicht vergessen oder ähnliches, was ihre Wirkung außer kraft hätte setzen können. Verhütung ist eben nie zu 100 % sicher. Unsere Babymaus hat sich an allen Vorsichtsmaßnahmen vorbeigekämpft und sich durchgesetzt. Das war für uns der Anlass, sie als „Kämpferin“ und „Wunder“ zu bezeichnen. Und plötzlich wurden wir Eltern.
Doch zurück zu meinem Gefühls- und Gedankenchaos. Meine eigene Kindheit war gut. Doch meine Mama ist nicht gesund. So hat sie häufig die Nerven verloren und das äußerte sich in physischer oder psychischer Überreaktion. Mit dem Wissen, selbst Mama zu werden kam also nicht nur die Übelkeit. Es kamen auch all die negativen Gefühle und Erinnerungen von damals zurück. Sie überrollten mich mit einer Wucht, mit der ich niemals gerechnet hätte. Wenn man so überwältigt wird von den eigenen Gefühlen, Erfahrungen und damit verbundenen Ängsten, dann ist man einfach nicht mehr rational. Diese Mutterliebe, die ich sofort mit dem positiven Schwangerschaftstest empfunden hatte, wurde von allen anderen Gefühlen überschattet.
Meine Angst, die gleichen Fehler zu machen war übermächtig. Mein Gefühl, eine Versagerin zu sein und auch als Mutter zu versagen, begleitete mich dauerhaft. Gleichzeitig fühlte ich mich schuldig, weil so viele Frauen einen starken Kinderwunsch hatten und dieser unerfüllt blieb und ich mich gar nicht so richtig über unser Wunder freuen konnte.
Mein Mann begleitete mich zur Gynäkologin. Eine Abtreibung kam für uns nie in Frage. Es dauerte sehr lange, bis ich mich auf unser Kind freuen konnte. Selbst als wir die „Überraschung“ offiziell machten, war ich noch nicht glücklich.
Sätze wie „Du musst dich freuen“, „das ist ein Geschenk“, „Denk daran, dass dein Kind spürt, wenn du dich nicht freust“, halfen gar nicht. Ich weiß, dass jeder es gut meinte, aber ich konnte mich nicht freuen. Die ganzen negativen Emotionen waren so viel stärker und die anhaltende Übelkeit war der Freude nicht zuträglich. Ich fühlte mich wirklich schuldig, weil ich mich nicht freuen konnte.
Mein Mann und einige enge Freunde waren mein Fels. Sie freuten sich, aber sie ließen mir auch die Zeit mich umzustellen. Sie setzten mich nicht unter Druck. Das ganze Leben, alle Pläne standen plötzlich Kopf. Meine Gefühlswelt konnte niemand verstehen. Doch endlich kam der Tag, an dem sich die Lage änderte.
Wir waren zur Kontrolle bei einer Hebamme. Zum ersten Mal hörten wir das Herz unseres Babys schlagen. Immer wieder fragte ich meinen Mann ungläubig: „Hörst du das?“ Mir liefen dauerhaft Tränen der Freude über die Wangen. Meinem Mann fiel ein Stein vom Herzen. Er sah das Leuchten in meinen Augen. Er sah, wie sehr ich unser Baby liebte. Die Ängste waren zwar nicht verschwunden, aber die Liebe zu unserem Baby war größer und wird es immer sein. Ich werde meine Ängste zwar immer in mir tragen und auch die Zweifel werden wahrscheinlich immer bleiben. Doch von da an wurde jeden Tag, die Vorfreude größer und hatte mehr Kraft als alles Negative zusammen.
Heute zweifel ich noch immer an mir. Ich habe Angst, als Mama zu versagen. Ich frage mich, warum ich eine so wundervolle Tochter habe. Ich habe Angst, dass meine anfänglichen negativen Gefühle sie geprägt haben. Doch heute bin ich Mama. Ich bin eine Mama, deren Herz fast platzt vor Liebe. Eine Mama, die unendlich dankbar für ihr persönliches „Wunder“ – ihre Tochter ist.